Donnerstag, 25. September 2014

La Forme: Laktattests 2014

- Kraftwerk

Laktattest Nr. 1: Spaß am Laufband

Diesen Mittwoch war ich für einen Laufband-Laktattest am IMSB Südstadt. Nora von Bahn 1 (: hat den Test mit mir durchgeführt. Das Pieksen empfinde ich nicht mehr so unangenehm wie das erste Mal, aber ich muss mich trotzdem erst noch daran gewöhnen.
Für alle, die noch nie so einen Test gemacht haben und die mehr darüber wissen wollen:

a) Wozu macht man das überhaupt?


Kurzfassung: Die Laktatkonzentration im Blut ist ein wichtiger Stoffwechselparameter des menschlichen Körpers, mit dem man in Kombination mit dem Puls auf verschiedene Trainingskenngrößen schließen kann. Bei einem Laktattest wird die Laktatkonzentration im Blut sowie der Puls an mehreren Messpunkten bei steigender Belastung gemessen. Daraus kann man die individuellen Pulstrainingsbereiche, die aerobe und anaerobe Schwelle bestimmen. Durch Kenntnis dieser Bereiche kann man gezielter trainieren und dadurch seine Trainingsziele schneller erreichen.

b) Wie läuft das ab?


Man macht sich einen Termin aus, zu dem man Laufschuhe und Sportsachen mitnimmt. Vor Beginn muss ein Fragebogen ausgefüllt werden, in dem es um gesundheitliche Angaben geht. Da keine ärztliche Betreuung vor Ort ist, muss man versichern, dies zur Kenntnis genommen zu haben und sich über das Risiko im Klaren zu sein.
Der Test wird oft am Laufband durchgeführt, kann aber auch auf der Laufbahn gemacht werden. Zunächst wird das Grundlaktat (Konzentration ohne sportliche Belastung) gemessen. Dabei und bei jedem folgenden Messpunkt wird einem mit einer Art Kapillare ins Ohr gestochen und ein kleines Probenvolumen an Blut (ich schätze 10 µL) entnommen. Dieses wird in ein Eppi überführt, in dem sich eine Glucoselösung befindet, und das Laktat wird gemessen.
Nun geht es an den sportlichen Teil. Mit Pulsgurt ausgerüstet fängt man in gemütlichem Tempo mit dem Test an. Jede Stufe dauert bspw. 3 Minuten. Man beginnt z. B. mit 6 km/h und steigert das Tempo mit jeder Stufe um 2 km/h. Bis 14 km/h war das für mich einigermaßen aushaltbar, aber die letzte Stufe mit 16 km/h konnte ich nur noch 1 1/2 Minuten durchlaufen, danach wäre es schon ziemlich ungemütlich geworden. 
Nach jeder Stufe wird das Laufband angehalten, man wird kurz ins Ohr gepiekst, Blut abgenommen, der Pulswert am Ende der Stufe notiert und es geht (fast) nahtlos mit der nächsten Stufe weiter. Das wird so lange gemacht, bis man nicht mehr kann. Danach gibt es am IMSB netterweise die Gelegenheit, sich zu duschen. Währenddessen werden die Ergebnisse in einer Grafik zusammengefasst und die Auswertung kann als Ausdruck mitgenommen werden. Hier sieht man alle wichtigen Parameter - Messwerte, Auswertung, aerobe und anaerobe Schwelle (der Wert wird durch die gemessenen Werte interpoliert, vermutlich polynomisch 2. Grades; leider wird die Regressionsgleichung nicht angezeigt - der Korrelationskoeffizient würde mich interessieren, rein grafisch zu urteilen müsste er aber >0,95 sein).

Am Ergometer sieht der Laktattest sehr ähnlich aus. Für den Test nimmt man neben Sportsachen die eigenen Radschuhe und Pedale mit, welche aufs Ergometer montiert werden. Vor dem Test wird einmal Blut abgenommen. Im Unterschied zum Laufbandtest wird man vor dem Radtest gewogen, damit man die Watt/kg Körpergewicht sieht.
Man klickt auf den Pedalen ein und beginnt bei gemütlichen 40 Watt zu radeln. Anschließend geht es in 30 Watt-Schritten voran. Wichtig ist, dieselbe Trittfrequenz von 70-80 Upm zu halten, damit die Werte vergleichbar sind. Nach jeder Stufe wird Blut abgenommen, man kann ohne Unterbrechung weiterradeln. Meine höchste Stufe war diesmal bei 190 Watt, was ich drei Minuten durchgehalten habe. Danach war ich aber fertig. Beim Ausradeln bei 40 Watt fühlt es sich so an, als hätte man gar keinen Widerstand mehr! Bibi hat die Pedale für mich wieder abmontiert.

c) Theoretische Hintergründe

Wie die Biochemiker unter uns wissen (hier eine musikalische Wiederholung), läuft die Energiegewinnung beim Menschen hauptsächlich über die Glykolyse über den Embden-Meyerhof-Weg. Am Ende dieses Stoffwechselweges entsteht Pyruvat, das unter aeroben Bedingungen mit Hilfe von CoA im Citratcyclus zu CO2 veratmet wird. Dabei entstehen 3 NADH, 1 GTP und 1 FADH2, mit denen anschließend über die Elektronentransportkette und den Protonengradienten ATP synthetisiert werden kann.

Unter anaeroben Bedingungen, wenn also nicht genügend Sauerstoff zur Verfügung steht, wie z. B. bei großer sportlicher Anstrengung, entsteht ein "Stoffwechselstau": Es wird laufend Pyruvat gebildet, aber durch den Sauerstoffmangel kann ein Teil des anfallenden Pyruvats nicht weiter oxidiert werden. Der Citratcyclus ist verlangsamt.
Pyruvat wird von Laktat-Dehydrogenase zu Laktat reduziert, um NAD+, welches in der Glykolyse gebraucht wird, zu regenerieren. Dank dieser Reaktion kann die Glykolyse auch bei Sauerstoffmangel weiterlaufen und Energie kann weiterhin bereitgestellt werden. Die Energieausbeute ist im Vergleich zum aeroben Abbau schlechter (38 ATP pro Glukosemolekül vgl. 2 ATP pro Glukosemolekül).

Im Ruhezustand liegt der Laktatwert im Blut unterhalb von 1,5 mmol/L. Bei sportlichen Belastungen kann er bei Spitzensportlern kurzfristig auf bis zu 25 mmol/L ansteigen.*

Laktatmessungen sind nicht nur für Sportler, sondern auch in anderen medizinischen Bereichen interessant. In der Intensivmedizin gibt es häufig Patienten mit Laktatazidose, weshalb deren Laktatwerte untersucht werden müssen. Bei Neugeborenen und vor allem Frühgeborenen dient die Laktatmessung zur Überwachung der Sauerstoffversorgung.*

Die anaerobe Schwelle ist die Leistung, die noch auf aerobem Niveau erreicht werden kann, bevor der immense Laktatanstieg im Blut beginnt.* Sie ist individuell verschieden und wird im IMSB mit 4 mmol/L angenommen. Für Ausdauersportler ist vor allem die Leistungsfähigkeit im aeroben Bereich wichtig.
Genauer genommen gibt es 2 interessante Schwellen: die aerobe und die anaerobe Schwelle. Unterhalb der aeroben Schwelle ist der Stoffwechsel komplett aerob. Danach beginnt ein Übergangsbereich (steady state), in dem zwar Laktat gebildet, dieses aber wieder rückoxidiert und veratmet werden kann. Aerober und anaerober Stoffwechsel befinden sich im Gleichgewicht. Sobald man über der anaeroben Schwelle ist, erfolgt die Energiebereitstellung nur noch rein anaerob.

d) Messmethoden

Da mir Nora vom IMSB keine zufriedenstellende Antwort auf meine Frage nach der Messmethode geben konnte, habe ich selber recherchiert, wie Laktat im Blut bestimmt werden kann. Hier die vermutlich derzeit gängigsten Methoden.

1. Photometrisch: Zunächst wird das im Blut enthaltene Laktat mit Hilfe eines Enzyms umgesetzt. Für die Messung gibt es verschiedene Varianten: Entweder absorbiert das Produkt selbst Licht und kann direkt gemessen werden, oder das Produkt wird in einer Folgereaktion zu einer Licht absorbierenden Verbindung umgewandelt. Wenn bei der Umsetzung von Laktat NAD+ in NADH umgewandelt wird, kann die Absorption von NADH bei 340nm gemessen und dadurch der Verbrauch von NAD+ ermittelt werden. Über das Lambert-Beersche Gesetz kann die Laktatkonzentration bestimmt werden.*

2. Elektrochemisch: Diese Methode wird auch am IMSB angewendet. Benötigt wird eine ionenselektive Elektrode mit einer integrierten Membran und einem je nach Substrat spezifischem Enzym. Die Membran besitzt eine innere und eine äußere Membranschicht. Nur das Laktat aus der Blutprobe kann durch die äußere Membranschicht zu einer Enzymschicht dringen. Hier setzt die Laktatoxidase aus der Enzymschicht das Laktat zu Pyruvat und H2O2 um. Das Wasserstoffperoxid kann durch die innere Membranschicht diffundieren und wird an der Anode = Indikatorelektrode durch eine angelegte Spannung oxidiert. Die Elektronen können fließen, der durch die Zelle fließende Strom ist zur Laktatmenge proportional.*~

3. GC-MS: Die Probe wird in den gasförmigen Zustand überführt. He fungiert als Trägergas. Die Probe wird über die GC-Säule in ihre einzelnen Komponenten aufgetrennt. Nach Durchlaufen der Säule werden die aufgetrennten Stoffe ionisiert und mittels MS analysiert. Für die Laktatmessung ist ein schonendes Ionisationsverfahren wie die CI sinnvoll, da in erster Linie der Molpeak interessant ist (die Substanz ist bekannt, Fragmentationsmuster sind daher nicht notwendig). Im Chromatogramm kann man die einzelnen Komponenten aufgrund ihrer Retentionszeit identifizieren und durch ihre Peakflächen quantifizieren. Für die Berechnung wird ein interner Standard aus 13C3-markiertem Laktat verwendet, der während der Aufarbeitung in bekannter Konzentration zugegeben wird.* (Nerdkommentar: Auch interne Standards haben ihre Tücken - für komplexe Matrices wie Blut würde ich persönlich überprüfen, ob sich die Standardaddition hier anwenden lässt. Aber möglicherweise ist die Konzentration von Laktat in einem ausreichend hohen Bereich, in dem ein interner Standard für die Konzentrationsbestimmung vollkommen ausreicht. Aber das nur am Rande...)

Laktattest Nr. 2: Spaß am Ergometer

Heuer habe ich meinen ersten Laktattest am Ergometer gemacht. Bibi hat mich betreut. Der Test war sehr interessant. Das allgemeine Prozedere ist dem Laufband-Laktattest sehr ähnlich. Es ist eine gute Idee, einen Rad-Laktattest zu machen, da die Faustregel Rad = Lauf minus 10 Schläge bei mir persönlich absolut überhaupt nicht zutrifft! Ich bin sehr gespannt, was Harry dazu sagen wird.

Ergebnisse

1. Laufband

Der Test zeigte sehr gute Ergebnisse. Seit dem Test im Vorjahr hat sich viel getan. Meine anaerobe Schwelle hat sich verschoben - um ganze 11 Schläge nach unten! Die Trainingsbereiche haben sich um 5 Schläge (also 1/3 der bisherigen Breite) näher zusammengeschoben. Man erkennt, dass ich ein Sportlerherz entwickelt habe. :) Jetzt wundert mich auch nicht, dass ich bei Wettkämpfen teilweise nicht über einen gewissen Puls hinausgekommen bin, der mir niedrig vorkam. Durch Ausdauertraining geht der Puls hinunter, weil das Blutvolumen ansteigt, das Herz größer wird und weniger Schläge braucht, um dieselbe Menge an Blut zu den Muskeln zu transportieren. Gleichzeitig wurde meine Leistung besser. Letztes Jahr lag meine anaerobe Schwelle bei 183 S/min und 5:48 min/km, jetzt liegt sie bei 172 S/min und 4:50 min/km. Wenn ich diese Geschwindigkeit 5 km lang durchhalte, wäre das eine Zeit von 24:10 oder gar knapp unter 24 min. Unter optimalen Bedingungen sollten 10 km in ca. 50 min schaffbar sein, Halbmarathon in 1:56 (mit 5:30 Schnitt gerechnet).

Im Vergleich zum letzten Jahr sieht man, dass die Herzfrequenz bei gleicher Leistung deutlich gesunken ist. Der Laktat-Anstieg ist im Vergleich zum letzten Jahr weniger steil und geht zu höheren Belastungen hinauf. Beim letzten Test hatte ich bereits über 2 mmol/L Laktat am Anfang (das kann auch am Schwimmtraining vom Vortag gelegen haben - jetzt mache ich am Tag vor dem Laktattest wirklich nichts), während ich diesmal knapp über 1 mmol/L beim ersten Messpunkt hatte. Auch das niedrigere Grundlaktat ist ein gutes Zeichen.

2. Ergometer

Ich habe gelernt, dass es wirklich gut ist, einen Ergometer-Laktattest zu machen. Der Test war eine Riesenüberraschung für mich. Ich habe im Vorfeld des Tests (also am Vortag und am Tag selber) ein bisschen Gummibären gegessen und frage mich, ob das einen Einfluss auf die Werte hin zu höheren Laktatwerten hat. Im Internet habe ich nur gelesen, dass zuckerhaltige Getränke einen diesbezüglichen Einfluss haben können, welche ich aber nicht zu mir genommen habe. Daher hoffe ich, dass der Test aussagekräftig ist. Ich werde Harry fragen.

Mein Grundlaktat ist super - wie beim Lauftest knapp über 1 mmol/L. Sehr spannend ist der Laktattest selbst. Meine anaerobe Schwelle liegt derzeit bei 133 W (2,1 W/kg) und bei 144 S/min. Also 28 Schläge unter meiner anaeroben Schwelle beim Laufen. Was bedeutet das?
1. Ich habe vermutlich in der Vergangenheit mit zu hohem Puls trainiert. Man sieht das auch an den Pulsbereichen, die im Vergleich zum Laufen mit 10-14 Schlägen noch eher breit sind.
2. Ich habe daher natürlich eine hohe Laktattoleranz. Letzte Stufe 190W - Spitzenwert von knapp 10,3 mmol/L.

Im Bereich rund um meine anaerobe Schwelle glaube ich, dass die Kurve eher ungenau ist, weil das Laktat ziemlich rasch ansteigt (knapp 4 mmol/L bei 130 W und danach 6 mmol/L bei 160W). Da wären vielleicht mehr Messpunkte gut gewesen, jedoch müssen die Watt-Abstände äquidistant sein. Für eine "gscheite" "Kurvendiskussion"^^ müsste man wohl im Bereich um die ANS mehr Messpunkte (20 W-Schritte) setzen. Aber für den Hobbyathleten reicht die Genauigkeit wahrscheinlich trotzdem aus.

Allgemeine Frage von mir: Was bedeutet das in Bezug auf meinen Körper, wenn die ANS bei Rad und Lauf so extrem unterschiedlich ist? Harry weiß hoffentlich mehr. Ich bin gespannt!

Quellen:
*Julia Sabine Deutsch, Bestimmung der Laktatkonzentration in Plasma und Vollblut: Ein Methodenvergleich der enzymatischen und ionenselektiven Messung mit der GC-MS Referenzmethode. Dissertation, 2003
~Spektrum

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