Dienstag, 9. September 2014

Gedanken zum (kommerziellen) Sport

Vor circa einem Monat habe ich eine sehr aufrüttelnde und empfehlenswerte Doku über Doping im Spitzensport auf ARTE gesehen.

Druck, Doping, Depressionen - Spitzensportler packen aus

Die Doku beleuchtet umfassend die Geschehnisse und Praktiken in und rund um den Spitzensport. Es werden Einblicke in verschiedenste Disziplinen gewährt, wodurch die Doku mehr Aussagekraft gewinnt. Wer Zeit hat, dem kann ich sie als sehenswert empfehlen.

Zusammenfassend kann man sagen, dass sich quer durch die Bank ein Trend abzeichnet: Der durch Sport generierte wirtschaftliche Umsatz ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Die Werbewirtschaft investiert astronomische Beträge in den Sport. Für die Errichtung neuer Sportstätten für Events wie die Fußball-WM oder die Olympischen Spiele wird laufend mehr ausgegeben, man könnte sogar von einer Kostenexplosion sprechen. Für Menschlichkeit ist kein Platz mehr. Die Sportler sind nur noch Nummern. Sie haben zu funktionieren, dürfen sich keine Aussetzer leisten. Verletzen sie sich, werden sie einfach gekündigt. Nicht nur, dass sie sich zu Tode schinden müssen - durch den hohen Erwartungsdruck wird logischerweise auch Doping Vorschub geleistet. In der Fußballwelt werden Schmerzmittel in ungesunden Mengen wie Bonbons geschluckt, im Radsport sind EPO und deren Folgesubstanzen, aber auch Substanzen mit anaboler Wirkung gang und gäbe, in der DDR wurde systematisch im Schwimmen, in der Leichtathletik und anderen Sportarten Doping betrieben... Die Spätfolgen sind unter anderem Kinder mit schweren gesundheitlichen Problemen, eine unerklärlich hohe Rate an ALS-Kranken, andere neurodegenerative Krankheiten und so weiter.

Ich möchte diese Thematik ansprechen, weil ich glaube, dass sich viele von uns gewissen Punkten nicht bewusst sind. Sportler gelten als Sinnbild für Jugendlichkeit und Gesundheit. In Wahrheit strapazieren sie ihre Körper über ein gesundes Maß und gehen über ihre letzten Grenzen, um das Maximum aus sich selber herauszuholen. Später leiden sie an den Langzeitfolgen und haben oft eine niedrigere Lebenserwartung. Das wird von den Medien natürlich verschwiegen, interessant sind nur die aktuellen Sportler und deren Siege.

Ich sehe hier ein riesengroßes grundlegendes Problem. Der Sport ist ein gutes Geschäft für die Wirtschaft. Die Sportler haben sich den wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen. Die heutzutage gängige Praxis, Sportler körperlich bis aufs Letzte auszubeuten - wer nicht will, fliegt raus... -, wird durch steigende Gewinne nur noch verschärft werden. Diese Entwicklung kann ich nicht gutheißen, egal, wie viel die Sportler verdienen mögen.

Ich glaube daher, dass dieser Situation nur durch einen radikalen Paradigmenwechsel beizukommen ist.

Jeder von uns - wir, die Sportkonsumenten - muss dem Leistungssport durch Konsumverzicht die wirtschaftliche Grundlage entziehen. Wir alle sollten Sport nur aktiv und als reines Hobby ausüben.

Die Situation kann sich langfristig nur ändern, wenn wir keinen Sport mehr im Fernsehen oder sonstwie konsumieren. Langfristig sollte das zu einem Rückgang der Werbeeinnahmen führen, wodurch die Attraktivität des Sportes sinkt. Auch wenn nur ein gewisser Rückgang beobachtet werden kann, könnte dies dazu führen, dass zumindest keine horrende, unrealistische Summen mehr an Profifußballer, Tennisspieler etc. gezahlt werden. Dadurch werden sich hoffentlich mehr Leute überlegen, ob eine Profisportkarriere es wert ist, sich dafür seine Gesundheit zu ruinieren. Einige der interviewten Gesprächspartner in der ARTE-Doku wären glücklicher gewesen, wenn sie anstatt ihrer sportlichen Erfolge andere Erfolge wie ein selbst geschriebenes Buch vorweisen könnten.

Die Thematik ist wie immer ein zweischneidiges Schwert, weil auf der anderen Seite natürlich viele Leute vom Sport leben. Aber ich bin davon überzeugt, dass sie ein anderes sinnvolles Betätigungsfeld finden würden. Außerdem kann ein wie von mir propagierter Wandel normalerweise nur langsam vonstatten gehen, mit ein oder zwei Jahrzehnten ist hier durchaus zu rechnen.

Man könnte argumentieren, dass die Profisportler freiwillig zu ihrem Sport gekommen sind. Andererseits halte ich es für erstrebenswert, für einen humanen Umgang mit den Athleten zu plädieren. Da das mit den aktuell vorherrschenden Mechanismen der Werbewirtschaft und deren Druck meiner Meinung nach nicht möglich ist, muss ihr die Nahrung entzogen werden, um einem besseren, nachfolgenden System Platz zu machen. Sobald kommerzielle Interessen nicht mehr der wichtigste Faktor sind, sollten sich die Bedingungen im - nunmehr Hobbysport - drastisch verbessern. An das Versagen oder den Erfolg des Athleten sind viel weniger Erwartungen geknüpft, alle machen es nur als Hobby und somit ohne jeglichen Druck.

Ich selber konsumiere keinen Sport mehr im Fernsehen und werde alle zukünftigen WM, Olympische Spiele etc. boykottieren. Irgendwie muss ja wer einen Anfang machen.

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